Leseproben Sarah & Nico
aus Sarah in Mirathasia, Band 1:

„Wisst ihr was? Ich wünsche mir, hier wäre eine Abenteuer-Seilbahn im Wald!“, rief Sarah ihren beiden Freunden Micha und Flocke zu.
Kaum hatte sie ihren Wunsch ausgesprochen, spannte sich vor ihnen ein Seil, das von einer hohen Kastanie aus den Hügel hinunter bis zur Stadt der zehn Wunder führte.
„Ich zuerst!“, rief Sarah und griff nach einer Stange mit Sitzbügel, die an einem Ast herunterbaumelte. Kaum hatte sie sich hinaufgeschwungen und vom Boden abgestoßen, hing eine neue Stange dort.
Sarah genoss es, unbeschwert den Abhang hinunterzuschweben. Flocke musste sich den Sitzbügel hinter ihr geschnappt haben, denn sie hörte sie jauchzen: „Warum ist mir das bloß nicht eingefallen?“
Die Seilbahn verlief parallel zu dem kleinen Weg – und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Sarah, Carlos und seine Freunde dort stehen zu sehen. Ein unangenehmes Gefühl beschlich sie und trotz der rasanten Fahrt konnte sie es nicht so leicht wieder abschütteln. Egal wo Carlos auftauchte, es bedeutete immer Ärger.
Und tatsächlich: Mitten im Wald tauchte plötzlich eine Mauer aus Beton auf. Sarah wusste genau, dass diese dort vorher nicht gestanden hatte. Entsetzt riss sie den Mund auf – doch der Schrei blieb ihr im Hals stecken. Sie würde gleich dagegendonnern!
„Außen rum!“, rief Sarah endlich. „Wunsch!“
Auf einmal ging ein Ruck durch ihren Körper und wie von Geisterhand schwang das Seil in eine Rechtskurve. Ihre Füße polterten zwar noch gegen den Stein, aber den Dreh hatte sie gerade noch gekriegt. Doch das Stahlseil rutschte ihr aus den Händen und sicher wäre sie vom Bügel gefallen, hätte sie sich nicht gerade noch rechtzeitig festgeklammert.
Einen Augenblick später wurde sie jedoch in die entgegengesetzte Richtung gerissen; der Sitzbügel rutschte unter ihrem Po weg und wie ein nasses Wäschestück hing sie an dem Bügel. Ihre Füße flogen erneut gegen die Mauer, als das Seil wieder seine ursprüngliche Richtung aufnahm. Ein paar Vögel in den Ästen der nächsten Kastanie kreischten empört auf und flatterten wie wild umher.
Pfeifend atmete Sarah wieder aus. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie die ganze Zeit die Luft angehalten hatte. Sie zog schnell die Knie an und erklomm den Sitzbügel – und das keine Sekunde zu früh: Ein Reifen hing von einem Baum herab, so groß, dass sie gerade eben hindurchpasste. An seinen Rändern prasselte Feuer und Sarah spürte schon die Hitze. Wie ein Löwe sollte sie durch den Reifen springen, sie wusste aber schon jetzt, dass das nicht gut gehen würde.
Da blitzte ein rettender Gedanke in ihrem Kopf auf.
„Wasser!“, rief sie. „Wunsch!“
Mit einer Wasserfontäne schoss Sarah durch den Ring. Sie konnte es kaum glauben, sie hatte es geschafft! Ihre Kleidung war zwar triefend nass und die Haare klebten vor ihren Augen, aber es war gerade noch einmal gutgegangen.
Sarah blickte sich um: Der Reifen qualmte an den Rändern, das Feuer war jedoch erloschen. Flocke sauste gerade auf den Ring zu, vor Schreck hatte sie den Mund sperrangelweit offen.
Immerhin, dachte Sarah, müssen Flocke und Micha nun nicht mehr durch das Feuer.
Sie drehte sich wieder nach vorne in der Hoffnung, ihre Abenteuerfahrt sei nun endlich beendet. Doch sie hatte sich getäuscht. Etwas flog nur knapp an ihren Füßen vorbei und landete mit einem ekligen Flatsch! auf der Erde. Sarah rümpfte die Nase, als sie sah, was das war: bräunlich-klumpiger Kuhmist! Er hatte sich auf dem Boden verteilt, hing überall an den Sträuchern und der Baumrinde.
Schnell schaute sie nach oben. Da kam noch mehr! Vom Himmel regneten die Fladen, genau auf sie herab. Entsetzt lehnte sie sich zur Seite und entging so dem Brei nur mit knapper Not. Doch der nächste Klumpen folgte schon und traf ihre Schulter. Sie roch die stinkende Kloake jetzt deutlich.
„Ausweichen!“, rief Sarah. „Wunsch!“, setzte sie schnell nach.
Wie von Geisterhand pendelte nun die Stange, auf der sie saß, hin und her. Manchmal war die Kehrtwende so plötzlich, dass sie aufschrie. Aber es klappte! Nach ein paar Metern hörte der Kuhmistregen auf.
Endlich konnte Sarah wieder atmen. Doch verschnaufen konnte sie trotzdem nicht, denn sie spürte, dass sie einer neuen Gefahr entgegensauste. Es war still geworden im Wald, ungewöhnlich still. Erste Nebelschwaden dampften vom Boden herauf. Schlierenartig zogen sie sich an den Bäumen hoch, waberten um die Äste und erreichten schließlich ihre Höhe. Auch wurde es merklich kühler.
„Flocke!“, warnte Sarah, aber ihre Stimme wurde vom Nebel verschluckt. Immer dichter wurde er, nahm ihr jegliches Gefühl für Entfernungen. Inzwischen konnte sie kaum noch das Seil erkennen, auf dem ihre Stange lief.
Auf einmal drang ein seltsames Zischen an ihr Ohr, das immer lauter wurde. Es kam eindeutig aus der Nebelsuppe vor ihr. War es ein dampfender Kessel? Eine Kreissäge? Oder etwa eine überdimensionale Schlange?
Die giftgrünen Augen erblickte Sarah zuerst. Ihre Pupillen bewegten sich und hefteten sich schließlich auf sie. Dann konnte sie den gefährlichen Rachen erkennen: Spitze, weiße Zähne und eine Zunge, die ihr entgegenschnellte. Was auch immer das war, es war nicht gut. Es war schrecklich. Vielleicht sogar tödlich – denn das Seil führte mitten hinein.
Sarah ließ ihre Stange los, ließ sich einfach rücklings fallen. Einige Meter trennten sie noch von der Erde, aber das war ihr egal. Niemals wollte sie in diesen übelriechenden Schlund hineinrutschen und schon gar nicht von diesem Monster gefressen werden. Alles war besser als das!
Noch im Fallen spürte sie, dass etwas an ihren Füßen zog. War es etwa die Zunge des Ungeheuers, die sich um sie gewickelt hatte?
Voller Angst presste Sarah durch ihre Zähne hindurch: „Werde zu Stein!“
Der Aufprall war hart, aber längst nicht so schlimm, wie Sarah es befürchtet hatte. Schnell kroch sie hinter eine Kastanie und schaute nach oben. Keine zwei Meter über ihr klaffte das Maul des Untiers wie eine dunkle, muffige Grotte, die spitzen Zähne schimmerten gefährlich. Bewegte es sich noch? Zischten noch immer Rauchschwaden aus seinen Nüstern?
Genau in diesem Augenblick schoss Flocke mit einem gellenden Schrei geradewegs in das Maul hinein.
Dann herrschte Stille.
„Flocke?“, flüsterte Sarah entsetzt. Ihr Herzschlag schien für ein paar Sekunden auszusetzen. Ein eisiger Schauer lief ihr über den Rücken, als ihr bewusst wurde, dass ihre neue Freundin gerade in dem gigantischen Maul verschwunden war.
Doch dann erkannte sie zwei Beine, die aus dem Rachen herunterbaumelten und schließlich die letzten Meter auf den Boden sprangen.
„Flocke – bist du das?“
Schnaufend erhob sich das Mädchen. „Klar, wer sonst?“


Aus Nico in Mirathasia, Band 1:

Nico nahm das Hörnchen mit den fünf Eiskugeln entgegen. Seine Augen glitzerten. Er hatte ein knisterndes Eis bekommen, das Funken sprühte wie Wunderkerzen zu Silvester, weiterhin die Sorte „Sonnenblumen“, die hellgelb schimmerte, sowie Marzipan, „Tannengrün“ und „Lass dich überraschen“.
Die Käsestadt, die Levi die Stadt der zehn Wunder genannt hatte, lag nun vor Nico. Jetzt ähnelte sie kaum noch einem angeschnittenen Käselaib, allenfalls nur noch die Hausfassaden, die in dieser typischen hellgelben Farbe strahlten. Er überlegte, ob er sich die Geschäfte ansehen sollte, aber ihn reizten die verrückten Gebäude mehr, die außerhalb der Stadt erbaut worden waren.
Ein paar rosa Rauchschwaden und giftgrüne Blasen pufften nicht weit von ihm in den Himmel, sie kamen aus dem löchrigen Stiefel, der neben einem Glashaus auf Stelzen stand. Nico schlenderte hinüber, ein Lächeln auf den Lippen. Endlich konnte er herausfinden, was sich darin verbarg.
Kaum hatte er das Eis zu Ende geschleckt, kletterte er an den ausgefransten Schnürsenkeln hinauf und kroch durch eine der mannshohen Ösen hindurch. Enttäuscht sah er nur einen einzigen Kasten in dem Raum stehen, den er betrat, sonst nichts. Allerdings stutzte er, als er darauf die Beschriftung der Tasten sah, unter denen er wählen konnte: Wie sollen deine Wolken aussehen? und Mit welchen Farben willst du sie mischen? – Welche Formen?
Aus einer langen Liste von Farben und Formen wählte er eine regenbogenfarbene Wolke und pechschwarze Blitze aus. Als er auf die Taste FERTIG tippte, glitt am Ende des Raumes eine Tür auf. Im diffusen Licht sah Nico einen Wagen, wie er ihn von einer Geisterbahn her kannte. Dieser stand auf Schienen, die in der Dunkelheit verschwanden. Etwas unsicher setzte sich Nico auf die gepolsterte Bank. Vor sich entdeckte er eine Pistole mit transparentem Lauf, in dem einige Tischtennisbälle steckten. Daneben war wieder eine Information angeheftet: Mit jedem Treffer auf die roten Felder werden deine Wolken größer. Jedes getroffene grüne Feld erzeugt deine gewünschte Form!
Da ruckelte das Fahrzeug auch schon in die Dunkelheit hinein. Nico krallte sich schnell die Pistole und betrachtete aufmerksam seine Umgebung. Vor ihm tauchten verschiedenfarbige Lichter auf. Er zielte kurz und schoss den ersten Tischtennisball ab. Treffer! Da – ein grünes Feld! Wieder getroffen!
Nico grinste. Er würde sicher eine gigantisch dichte Regenbogenwolke mit massenhaft schwarzen Blitzen hervorbringen, wenn das so weiterging. Doch keine Minute später merkte er, dass es immer schwieriger wurde. Seine Umgebung hatte sich verändert, er fuhr durch eine Großstadt hindurch, die New York sehr ähnlich war. Dort blinkten so viele Lichter, dass er die roten und grünen Felder gar nicht so schnell entdecken konnte. Als sich der Wagen in engen Windungen in einen futuristischen Himmel hinaufwand, musste Nico auf rot und grün schimmernde Raumschiffe schießen, die zwischen den Planeten herumflogen. Anschließend raste seine Gondel mit einer gigantischen Geschwindigkeit in die Tiefe, da war es kaum noch möglich, irgendeines der Felder anzupeilen. Nachdem Nico durch eine mit farbigen Kakteen besetzte Wüste gefahren war, ruckelte er noch durch eine mit Menschen vollbesetzte Diskothek. Hier musste er auf die mit farbiger Flüssigkeit gefüllten Gläser zielen, die die Kellnerinnen vor sich her trugen.
„Puh!“
Nico wischte sich den Schweiß von der Stirn und lächelte. Mit zittrigen Beinen stieg er aus dem Fahrzeug und kletterte durch eines der Löcher im Stiefel. Gespannt blickte er in den Himmel hinauf. Mehrere regenbogenfarbene Wolken drückten sich aus dem Schaft des Stiefels hinaus, dazwischen zischten schwarze Blitze.
Na ja, das war noch nicht die allerbeste Leistung, aber beim nächsten Mal würde er sicher viel mehr Treffer landen!

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